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Gästelisten sind passé. Kreative Visionäre setzen auf anteilige Kapitaleinlagen, bei denen sich die Anteilseigner ihre Dividende selbst ersaufen. Erfolg hat allerdings nur, wer ein schlüssiges Konzept serviert.

Es hätte so schön werden können: Um 115.000 Euro wollte der Hamburger Partymacher und Agenturchef Gunnar Henke seinen Jahresumsatz mit seiner Kartei der Amüsierwilligen erhöhen. Der Hamburger Danny Lyons, Inhaber der Promotion-Agentur Vitamin E, hatte es ihm quasi vorgemacht. Nur geprüfte Mitglieder oder deren Begleitung kommen samstags in den "Byblos Club" im Basement des Hamburger Park Hyatt Hotel. Für die ersten 2000 Interessenten war die Mitgliedschaft kostenlos, alle weiteren zahlen 20 Euro Bearbeitungsgebühr. Einen VIP-Bereich gibt es im Byblos nicht. Aber einen mit Tischen. Dort darf jeder trinken, der Flaschenweise Champagner oder Spirituosen ordert. "So", sagt Lyons, "entscheidet der Gast über den Umsatz wo er sitzt."
Anders als Lyons, der das Byblos mit zwei Geschäftspartnern betreibt, hätte Henke den großen Reibach gern bereits vor der Tür gemacht. Das Konzept für seinen im Oktober 2003 eröffneten Club Atlantic im gleichnamigen Hamburger Hotel war fast perfekt. Wer ab Januar 2004 mit einer Begleitperson ohne Einlassprobleme in der für maximal 250 Gäste ausgelegten Location feiern wollte, sollte für 750 Euro eine von 100 Membercards erwerben. Weitere Gegenleistung für die Jahresgebühr: Eine mietfreie Nutzung des Clubs für eine Feier sowie Tischreservierungen. Eine anfangs auf 400 Exemplare limitierte Clubkarte zum Einlass "bei Verfügbarkeit" gibt es nach wie vor für 100 Euro im Jahr. Membercards sind nicht mehr erhältlich. "Die haben wir verkauft oder an gute Kunden ausgegeben", behauptet Henke. Insider lästern er hätte keine einzige Membercard an den Mann gebracht. Da auch die Clubkarten zum Teil gratis verteilt wurden, waren die Einnahmen damit eher gering. Um Querelen unter befreundeten Gästen zu vermeiden erhielten die Käufer der Karte beim nächsten Besuch eine Flasche Champagner oder Wodka im Gegenwert von 100 Euro. "Somit haben wir uns daran keineswegs bereichert", gesteht Henke. Wozu also der ganze Aufwand? "Weil sich mit Clubkarten leicht ein Wunschpublikum generieren lässt." Wer nicht dazu gehört, zahlt bei so genannten Clubabenden maximal zehn Euro Eintritt. Wie die und Samstage mit anderen Veranstaltungen aussehen sollen, konnte Henke bei Redaktionsschluss noch nicht sagen. Bis Ende der dreimonatigen Sommerpause Anfang September wird das Konzept für die gut verdienende, auf Dance Classics eingeschworene Zielgruppe ab 25 neu überdacht.
Auch was das neue Berliner Loock-Hotel Q zu bieten hat, darf man mit Spannung erwarten. "Q! The Bar" soll als kostenloser Private Membership Club nur Hotelgästen und ausgewählten Mitgliedern zugänglich sein. Auswärtige Gäste dürfen nur mittags in das angrenzende Restaurant.
Das Prinzip, komplizierte Gästelisten durch Mitgliedskarten ersetzen, kennt man aus britischen Gentlemanclubs, wo man Society-Small-Talk und Geschäftsgespräche pflegt. "Networking ist 24 Stunden am Tag wichtig", erklärt der 27-jährige Lars Hinrichs, der seit November 2003 den Open Business Club im Internet betreibt. 100.000 Mitglieder betreiben hier seit acht Monaten geschäftliches Networking. Weltweit gibt es inzwischen etwa 500 solcher social Networks schätzt Hinrichs. Er ist auch Mitglied in der Internet-Community "a Small World", die seit dem 19. März 2004 Wirtschafts- und Freizeit-Interessen junger Menschen verbindet. Jedoch nur für diejenigen, die von den Mitgliedern eingeladen werden. Im Forum stellen sich Yuppies aus aller Welt mit Steckbrief, Foto, Adresse, Job und Geburtstag (ohne Alter) vor. Über Beruf und Städte knüpfen sie gezielt Kontakte, eine Liste mit Szene-Restaurants, Bars, Hotels, Clubs, Partys, Filmfestivals und Sportereignissen in über 40 Orten weltweit fungiert als aktiver Eventkalender, den die Mitglieder mit Infos füttern.
Von Byblos, Club Atlantic & Co hält der in Hamburg lebende Lars Hinrichs wenig. "Geschlossene Clubs sind nur sinnvoll wenn man gute und feste Kundenbeziehungen hat. Dabei zählt die kritische Masse, diejenige also, die benötigt wird, damit das Wachstum von allein funktioniert und nicht mehr über die Initiatoren läuft. Wenn man den Leuten die Karten hinterher wirft, ist das System gescheitert."
Jet Setter, die sichergehen wollen, dass sie in angesagten Clubs nicht abgewiesen werden, beantragen die Aufnahme bei "The World's Finest Clubs". Der in Zürich ansässige Verein verspricht seinen Mitgliedern Eintritt in die VIP-Lounges angesagter Locations wie dem King Kamehameha in Frankfurt, Otto Zutz in Barcelona, P1 und Nektar in München oder dem Supper Club in Rom. Kostenpunkt: 2000 Euro im Jahr (1500 Euro für unter 30jährige). Rentiert hat sich das seit Mai 2003 bestehende Konzept allerdings noch nicht. "Wir haben erst Mitte Juli mit dem Verkauf begonnen", gesteht Frank Unruh und spricht von über 200 Anfragen. Mit Scouts in ganz Europa und Asien will er ein weltweites Vertriebsnetz aufbauen. Das Marketing sollen die Clubs übernehmen indem sie Mitgliedschaften gegen Provision an ihre Gäste verkaufen.
Peter Glückstein, Ex-Musiker, DJ und Betreiber der Berliner Bar am Lützowplatz geht noch einen Schritt weiter. Statt Business-Club für die Bussi-Gesellschaft entwarf er gemeinsam mit dem Architekten Hans Kollhoff ein Konzept, dass als Kapitalanlage mit Spaßfaktor und langfristiger Rendite fungiert. Das Goya ist eine Aktiengesellschaft, die Finanzierung und Entstehung des Clubs mit den Einlagen von 2000 Mitgliedern realisiert. 80 Prozent des Kapitalbedarfs von 9.437.000 Euro (davon sechs Mio. Euro Baukosten und eine Mio. Euro Vorlauf) werden durch Aktienausgabe finanziert, das erste Etappenziel, 2.257 Mio. Euro eingezahltes Kapital auf einem Notar-Anderkonto, will der 51jährige Glückstein bis Ende August 2004 erreichen. Die Chancen stehen gut. Über 800 Aktionäre hatte das Goya bei Redaktionsschluss Ende Juli, die minimale Kapitaleinlage beträgt 1003 Euro für ein Vorzugsaktienpaket. Der Inhaber wird bei der Dividende mit 12 Prozent vor allen anderen Aktionären bedacht, ist damit aber kein Clubmitglied. Die Vollmitgliedschaft für Stammaktionäre kostet 3.960 Euro, die Höhe der Ausschüttung beschließt die Hauptversammlung. Das Vollmietglied hat lebenslang freien Eintritt und Zutritt zur Clubetage mit zwei Begleitpersonen.
Die Vision von Glückstein und Kollhoff entsteht im Berliner Metropoltheater am Nollendorfplatz, das Restaurant-Konzept erinnert an Supper Club (Amsterdam), Nektar (München) oder Sketch in London. Bis zu 400 Gäste speisen von 20 bis 21.30 Uhr an langen Tafeln, dann läutet ein Zeremonienmeister das Ende des Abendmahls ein und bittet zum Tanz. Außerdem bietet die nach dem spanischen Hofmaler Francisco de Goya (1746-1828) benannte Location auf drei Etagen Tapas-Bar, Cervezeria (Bierbar), drei Lounges mit der längsten Cocktailbar Europas sowie Veranstaltungsräume und eine Clubetage nur für Mitglieder.
Auch die Idee mit dem Aktienrestaurant ist nicht neu. Im Herbst 1997 eröffnete der Fotograf und Hobbykoch Rainer Fichel auf Mallorca das Viena. Den Umbau seines Lieblingsrestaurants in ein schmuckes Bistro finanzierte er durch den Verkauf so genannter "Schnitzelaktien" an Privatpersonen. Das nicht an der Börse notierte Papier kostete 2500 DM und brachte dem Käufer eine satte Rendite von 100 Prozent - in Form von Speisen und Getränken für 5000 DM. Eine begrenzte Laufzeit oder Beschränkungen beim Abessen der Anteile auf den Aktionär gibt es nicht. Das Konzept war so erfolgreich, dass Fichel ab Aktie Nummer 51 die Rendite auf 43 Prozent senken konnte. Und durch sukzessive Preiserhöhungen eine Art Club geschaffen hat: War der Aktienverkauf doch stets Freunden des Hauses vorbehalten, die mit den aktuellen angehobenen Preisen im Gegensatz zu normalen Gästen qua ihrer Vorleistung kein Problem haben. Schließlich zahlen sie für alles de facto nur die Hälfte oder 60 Prozent.
Für Glückstein steht weniger der finanzielle Vorteil der Mitglieder im Vordergrund. Zwar haben sie lebenslang freien Eintritt (nach Ende der Happy Hour zahlen alle Nicht-Goyaner-Begleiter 10 €), das einheitliche baskische Abendmenü kostet sie 18 statt 25,50 €. Nur auf die Getränke (Bier 2,50 € / Caipirinha 7,50 €) gibt es keinen Rabatt.
"Der entscheidende Aspekt ist das Netzwerk aus 2000 Aktionären", erklärt Glückstein. "Das garantiert vom Tag der Eröffnung an 2000 Stammgäste plus deren Umfeld". Und Glückstein weiß: "Es besteht die berechtigte Hoffnung, durch diese Gruppe privat wie geschäftlich neue Beziehungen zu erschließen." Wie gut sein Konzept ankommt zeigt ein Blick auf die Aktionärsliste: Außer Calle von Bismarck, Schauspieler Thomas Kretschmann und zahlreichen Unternehmern zeichneten auch viele Gastronomen. Neben Hoteldirektoren aus renommierten Häusern wie Accor, Bleibtreu und Brandenburger Hof sind Szenewirte wie Dirk Kreuzer (Herzblut St. Pauli/Hamburg), Gerd Schüler (Dorian Gray/Frankfurt), Charles Schumann (Schumann's/München), Falk Walter (New Big Eden, Arena/Berlin), Hans Peter Wodarz (POMP DUCK AND CIRCUMSTANCE) sowie Tobias Hundertmark, der kürzlich mit der Hamburger Havanna Lounge und deren Ablegern eine gigantische Pleite hinlegte, mit von der Partie.
Von elitärem Gehabe hält Glückstein nichts. "Ich will definitiv keinen exklusiven Nobelclub, weil es mich nicht interessiert, in einer dünkelhaften Wolke aus vermeintlicher Zusammengehörigkeit diejenigen auszuschließen, die dazu gehören, wenn es sich um eine bunte Mischung handeln soll."
Manchmal braucht man aber doch ein paar gute Namen. Von denen hat Vaclav Cerveny noch keinen einzigen auf der Aktionärsliste für seine Gastronomie Park AG. Das Projekt sammelt ebenfalls über die Ausgabe von Genusscheinen Kapital. Auf 32.000 Quadratmetern soll damit in Heimstetten (München Ost) ein Gastronomie- und Veranstaltungspark für 3500 Personen entstehen. Der "faszinierende Anziehungspunkt Münchens" werde "dem Gästekreis in ganz Bayern neue Impulse geben" schwärmt der Prospekt. Cerveny auch: "Wir haben für alle Situationen ein Geschäft bereit und können die ganze Saison Aktionsbedingt was machen: Parkhaus, Nähe zu Messe und Heimstettener See, keine Sperrzeiten - wir können alles mitnehmen." Der aus der Münchener Event Gastronomie bekannte Restaurantfachmann Cerveny hat sich viel vorgenommen. Vielleicht zu viel. Das nötige Kapital beläuft sich inzwischen auf 30 Mio. Euro. Und bahnbrechende Aussagen zum Konzept sucht man in der blauen Broschüre vergebens. "Für den Start der Geschäftsaktivitäten hat sich die Gastronomie Park AG die vorhandenen Entwicklungsergebnisse von mehreren außergewöhnlich Erfolgversprechenden Gastronomie Konzepten gesichert und hierfür Vermarktungsstrategien erarbeitet" heißt es auf Seite eins. Zum Konzept gehört, "dass ständig neue Ideen umgesetzt werden." Wie die "spannenden Gastrokonzepte" für die Zielgruppe von 25 bis 50 und Familien im Detail aussehen? Ein Erlebnisrestaurant "Nix Wia Hi" mit 500 Sitzplätzen als "Themenrestaurant mit original Dekoartikeln und Gebrauchsgegenständen aus allen Teilen der Weltkugel", ein Club für maximal 1500 Personen, ein Bayerischen Biergarten mit 1500 Sitzplätzen, ein Open Air Areal, Eisenbahnwaggongs als Sonderpartyräume sowie einem Abenteuerspielplatz und 120 qm Kinderecke mit Piratenland. Wirklich neu ist das nicht.
Trotz niedriger geringer Einstiegssumme und finanzieller Vorteilen für Aktionäre - die Mindestbeteiligung für Gäste beträgt 1000 Euro und bringt 10 Prozent Rabatt auf Speisen und Getränke, um 20 Prozent verbilligten Eintritt in der Club Arena und jede Menge Vorteile für Familien - hat Cerveny bis dato nur Vorbestellungen für die Genusscheine. "Die kleinen Leute zögern, die Industrie hat großes Interesse am Mitmachen, nicht jedoch an einer Investition", schildert Cerveny die Lage. Das Angebot über 500.000 Euro von der Paulaner Brauerei schlug er aus. "Für eine exklusive Listung des Produkts über 10 Jahre" war das zu wenig. "Und ohne Zusagen der Industrie ist den Kleinanlegern das Konzept zu diffus", schildert der 43-jährige das Dilemma. Die Vermarktung über eine Börsenagentur scheiterte. "Die hatten so viel im Angebot, dass die Interessenten keinen Beratungstermin für den Gastronomiepark bekamen und letztlich bei uns angerufen haben", so Cerveny. Jetzt will er das Projekt durch einen Privatinvestor retten, der die Hälfte der Investitionen übernimmt. Pferdefuß des großzügigen Angebots: Der Baulöwe fordert im Falle einer Beteiligung zahlreiche Umbaumaßnahmen, was die Investitionssumme vermutlich noch mehr in die Höhe treibt und die Suche nach Sponsoren nicht einfacher machen dürfte.
"Beteilungen an solchen Projekten werden von der Brauwirtschaft in der heutigen Zeit besonders kritisch hinterfragt", erklärt Peter Sobanski, National Key Account Manager Deutschland der Holsten Brauerei.
Das ahnte Cerveny schon im Vorfeld: "Es besteht das Risiko, dass die Gesellschaft Projekte in Angriff nimmt, die nicht realisiert bar sind", warnt der Prospekt im Kapitel "Risiken".
Wie gering die Experimentierfreudigkeit im Freizeitbereich sein kann zeigt das Beispiel Baja Beach Club in Barcelona. Die für den VIP-Bereich zugelassenen Gäste können sich ihre Clubkarte für in Form eines 1,2 mm breiten und 12 mm langen Mikrochips in den Oberarm implantieren lassen. Neben der Einlassprozedur spart der Chip auch das Bonieren der Getränke: Der gesamte Verzehr wird wie die Daten der Gäste via RFID-Technik (radio frequency identification) ans Kassensystem geleitet und beim Verlassen des Lokals durch einen erneuten Scan abgerechnet. Risiken und Nebenwirkungen sind den Partyanimals von Barcelona aber scheinbar noch zu heiß. Bis dato haben sich erst neun Gäste für den Eingriff entschieden. Die anderen setzen weiterhin auf Plastikkarte oder Gästeliste.